Original von Querspreize
Ich äußere mich jetzt mal total undiplomatisch...
Vergiss es, Allrounddrachen heißen die Drachen, mit denen man nichts so richtig machen kann. Aber Trickflug geht mit denen eigentlich garnicht. Das eine oder andere ist vielleicht schon möglich, aber damit hört es auch schon auf. Für den Anfänger sind diese gut, um an den ersten zwei Tagen lenken zu lernen, dann muss aber definitiv was anderes her.
Schön, kauf Dir einen, fliege ihn zwei oder drei Flugnachmittage und mache Dich dann auf die Suche nach einem richtigen Drachen. Da Du gerade sehr viel Geld versenkt hast, darf es aber nicht sowas teures sein - Schon hast Du einen zweiten Drachen, der Dich ebenfalls nicht weiterbringt... Viele besitzen ganze Taschen voll billigem Gerümpel (im Gesamtwert von gut und gerne 1000 Euro), das sie nur ganz kurz mal benutzt haben, bevor sie sich endlich einen richtigen Drachen zulegen, der dann 50-300 Flugtage gerne geflogen wird.
Na, das ist mir schon klar. Aber eines der Probleme bezahlbarer Einsteigerdrachen ist der Umstand, dass sie eigentlich schwieriger zu bedienen sind - Das passen Deklaration und Produkt überhaupt nicht zusammen.
Ich will Dich um Gottes Willen nicht davon abbringen, Dir einen günstigen Drachen zu kaufen, aber ich weis, dass Du Deinem neuen Drachen schon nach 2 Monaten seine Benutzung (ist wahrscheinlich nicht immer ganz sachgemäß) deutlich, wahrscheinlich sogar sehr deutlich ansehen wirst. Wenn hier ein erfahrener Pilot sein gebrauchtes Material für billig verscherbelt, sind diese Drachen meist in einem besseren Zustand, als ein von Dir geflogener Neudrachen nach 5 Flugtagen. Du brauchst ein Gerät zum Üben, üben und nochmals üben. Wenn Du einen Trick erlernst, wirst Du wahrscheinlich starten, probieren, Leine fangen, abstürzen, hinlaufen... stundenlang, über mehrere Flugtage, bis dieser eine Trick zumindest den Anschein erweckt, reproduzierbar zu sein. Wenn Du das mit etwas anderem versuchst, als einem sogenannt "wettkampffähigen" Trickdrachen, werden Dir schlicht und ergreifend die Erfolgserlebnisse fehlen. Du wirst (verständlicher Weise) das Thema Trickflug für Dich abhaken.
Darum ist es sehr, sehr wichtig, dass Du Dir jetzt einen endgeilen Drachen für lockere 300 Ocken kaufst! (Nimm aber den richtigen, die Viecher sind nämlich teuer. ;-)). Ehrlich, das ist fast mein voller Ernst, denn genau das würde Dir die Chance geben, tatsächlich Trickflug für Dich als Hobby zu entdecken. Dummerweise fehlt es Dir an Erfahrung, um die vorsichtigen Äußerungen aus Testberichtigen so zu verstehen, wie sie zwischen den Zeilen geschrieben stehen. Du musst es für dich selbst herausfinden und am besten Probefliegen, denn die Viecher sind, wie schon gesagt, verflucht teuer. Du kannst aber gar nicht Problefliegen, weil Du
- erstens nicht weist, worauf es ankommt und
- zweitens den Drachen noch nicht in die entsprechenden Fluglagen bringen kannst.
Also müsstest Du Dich auf das Urteil anderer versierter Piloten verlassen...
Das ist leider auch leichter geschrieben als getan, denn Drachen sind doch sehr individuell in ihrem Verhalten. Welcher könnte irgendwann einmal zu Dir passen? Den Versierten, auf dessen Urteil Du Dich verlassen könntest, müsstes Du erst wochenlang ausbilden (Gespräche, Flugbeobachtungen usw.).
Mein Fazit: Es ist wahrscheinlich schietegal, welchen Drachen Du Dir jetzt zulegst, aber bitte, bitte nimm einen Gebrauchten zum Schnäppchenpreis! Die Chance steht geringer als 30%, dass er Dir letztendlich gefällt, aber das wird auch Dir frühestens in 6 Monaten klar werden können. Solange er dann noch nicht in Fetzen von den Stäben hängt, könntest Du ihn theoretisch mit angemessenem Wertverlust sogar noch weiterverkaufen.
Übrigens ist bei einem Gebrauchtdrachen aus der Hand eines ehrbaren, erfahren Forumspiloten die Wahrscheinlichkeit höher, dass er gut fliegt als bei einem Neudrachen: Der Vorbesitzer hat sicherlich die evtl. asymmetrische Waage korrigiert, Stoperclips vernünftig nachgeklebt und die alle Knoten schon mal "vorgesetzt".
Das ultimative kleine Loch in Verbindernähe haust Du Dir sowieso bald selbst ins Segel. Solange die Reparatur hält, könnte Dir sowas echt egal sein. Es mag ja sein, dass Du eines Tages mal einen richtig schönen Neudrachen kaufen willst, aber das solltest du Dir wirklich noch ein bischen aufsparen, bis Du bei jedem Wind materialschonend genau da landen kannst, wo Du willst und vor allem wenn Du materialschonendes Recoery am Boden perfekt beherrscht. Bis dahin hat Dein nächster Drachen vor allem einen Menschen zu fürchten, der ihm richtig ans Leder geht: Dich.
By the way, wo ich gerade in gnadenloser Tacheles-Laune bin... (Hast Du bestimmt schon gemerkt, oder. :peinlich:) Wenn Du in Hamburgs Umgebung Drachen steigen lassen wilst, wird Dir einer alleine nicht genügen:
- Du brauchst vor allem einen Standard mit guten Leichtwindeigenschaften, denn wir sind hier zu weit entfernt von Atlantik und Nordsee.
- Du brauchst was Leichtes mit viel Segelfläche, wenn es mal wieder etwas flauher zugeht (im Winter ist der Wind eher schwächer).
- Du brauchst was Kleineres mit schön viel Schwungmasse für stärkeren Wind und guten Nehmerqualitäten für zusätzliche Böen.
Als Anfänger wirst Du Drachen hassen, die mangels genügend Winddruck ständig vom Himmel fallen. Ich rate Dir darum beim Ersten auf ausreichend Leichtwindtauglichkite zu achten (Herstellerangaben kannst jedoch dabei getrost komplett vergessen).
Dieses Jahr hatten wir hier besonders viele Tage mit starken Böen (ekelhaft) und einige Tage mit sehr magerem Wind... Wie der kommende Winter wird, vermag ich Dir aber leider nicht vorherzusagen.
Es könnt alles so einfach sein - isses aber nicht... :kirre:
Achja, Du wolltest eine Empfehlung:
1) Wenn jemand sagt, der Drachen Deines Interesses wäre klein und schnell, dann lass' besser die Finger davon - Den Kleinen fehlt einfach die Segelfäche, die Du (vor allem am Anfang) meistens brauchst.
2) Wenn jemand sagt, ein Drachen wäre kippelig, dann lass die Finger davon, weil Du die beschreibene Agilität bei Drehungen um die Querspreize erst viel, viel später brauchst. Wenn Du großes Glück hast, kannst Du mit einem unkippeligen Drachen das Handling für Schwachwind früh lernen und so vielleicht die Invesitition in einen Leichtwinddrachen aufschieben.
3) Wenn jemand sagt, ein Teil wäre präzise, solltest Du Deine Lauscher misstrauisch weit aufsperren, denn dieser Drachen könnte für Dich am ehesten beherrschbar sein - Einige Exemplare dieser Riege machen, was man ihnen sagt und eben nicht noch gleich 3x bis 5x irgendwas dazu.
4) Wenn jemand sagt "...erstaunlich trickfähig...", heisst das erstmal: Das ist KEIN Trickdrachen.
5) Wenn einer sagt "mit dem geht ja alles", so meint er, dass er als erfahrender Crack irgendwann auch mal jeden Trick aus dem Drachen rauskitzeln konnte - siehe 4)
6) Ein guter Trickdrachen wird niemals danach beurteilt, welche Tricks mit ihm möglich sind - Alle sind zweifelsohne mit ihm fliegbar, das bedarf keiner Erwähnung.
7) Es gibt endlose und sehr spannende Diskussionen darüber, wie ein Drachen abgestimmt werden kann, um gewisse Dinge mit ihm leichter Fliegen/Erlernen zu können - Du kannst sie geflissentlich vernachlässigen, denn noch ist Dir nicht klar, weöches Verhalten Du bei Trickdrachen liebst und welches Du hasst. Das kommt etwas später und sollte für Dich (noch) nicht kaufentscheidend sein.
Nimm einfach einen großen "Wettkampf-"Drachen, der möglichst "weit runter" geht (mit wenig Wind auskommt) und eine Spannweite von 2,2m bis 2,4m hat. Bei den größeren Spannweiten sind doch einige Vögel unterwegs, die höhere Anforderungen an den Piloten stellen.
9) Zumindest für die ersten Tricks ist ein langsamer Drachen von Vorteil, damit Dein noch ungeübtes Auge erkennen kann, was der Drachen macht und vor allem was gerade schiefgegangen ist.
10) Solange wir über gute Trickdrachen schreiben/lesen, brauchst Du Dir überhaupt keine Sorgen zu machen, dass er zu stark ziehen würde: Auch ein großer Trickdrachen mit ordenlich Zug und viel Segelfläche wie mein Masque bringt mich niemals aus dem Gleichgewicht, erst recht nicht in den Windgeschwindigkeiten, in denen man ihn als Fortgeschrittener zu tricksen vermag. Wenn ein Trickdrachen bedenklich zieht, musst sich unsereins angestrengt Gedanken machen, wie man das Teil heil und sicher an den Boden zurückbekommt, ohne Stabbruch (gerne mal 12 Euro pro Stück) und Loch im Segel (0,0002 Euro Sekundenkleber).
Nimm den Over und lies Dir mal die Threads zu den Over-Versionen beihttp://www.drachen.de durch - da stecken alle spannenden Infos drinnen. Zwar ist dieser Drachen nicht der High-End-Drachen (wie auch bei dem Preis), aber er macht den ganzen Krempel und ist so abgestimmt, dass auch weltliche Geschöpfe das mit ihm hinkriegen. Er ist sicher weit entfernt von dem perfekten Drachen, aber für den Einstieg bietet er eine solide Basis, die man für den Preis nicht so leicht woanders bekommt. Außerdm gibt es in Hamburg einen Laden, der meistens Dynamics Stäbe vorrätig hat, aber keinen mit Skysharks. Ist aber kein Argument, wir haben alle ein paar Ersatzstäbe, die wir zu unserem Einkaufspreis gerne untereinander "austauschen" - sonst bräuchte ja jeder seinen eigenen Drachenladen zu Hause. Allerdings gibts Dynamics wohl doch nur im Laden...
Achja noch was:
In guten Drachen werden meistens Stäbe aus gewickelter Kohlefaser verarbeitet. Jeder dieser kurzen Stäbchen kostet Dich im gewichteten Mittel 9 Euro. 7 Stück sind drinnen (wenn die Leitkanten auch aus gewickelten Stäben bestehen), also ist allein das ein Materialwert von 63 Euro. :-o Da fehlen noch Verbinder, Muffen, obere QS, Segel, Garn, Leitkantenmaterial, Saumband, Waageschnur, Gewichte, starkes Nasenmaterial, häufig Gummiabspannungen... Dann braucht man noch jemanden, der sich ein paar Stunden mit diesem Material beschäftigt, damit ein Drachen dabei rauskommt... Auch Entwicklung, Design, unzählige misslungene Prototypen usw. habe ich nicht berücksichtigt. Kurzum, 100 Euro sind verdammt wenig Geld für ein solches Flugobjekt. Auch auf dem Gebrauchtmarkt. Dafür wirst Du sowieso nicht viel bekommen.
Wenn Dir jemand in dieser Preisklasse eine Empfehlung ausspricht (mich eingeschlossen), dann geht es nicht um einen guten Drachen (den gibt es dafür sowieso nicht), sondern um ein Objekt mit dem Du einige wenige Tage Spaß hast und das Dich befähigt, Deine Budgetgrenze möglich schnell über Bord zu werfen. Wer Dir sagt, Du könntest für dieses Geld einen guten Drachen erwerben, der will Dich nur verführen, Deine guten 80 Euro auf dem Altar zu opfern, der dem Geiz und der Unwissenheit geweiht ist.
Wenn überhaupt, kannst Du bestenfalls Second Hand was Brauchbares erwerben.
Viele liebe Grüße
Michael