Doppelte Kappnaht - welche Version nehmen?

    Eine Sache die mir bei dem Vergleich zwischen den Nahtarten noch wichtig erscheint: Alle Arten von Kappnähten sind nicht elastisch. Im Gegensatz dazu steht die Segelmachernaht, die ja ihrer Natur nach keinen Zug aufnehmen kann.
    Streng genommen ist es also so, dass ein mit Segelmachernähten hergestelltes Segel sich im Laufe seines Lebens anders verformt als eins mit Kappnähten. Die Segelmachernähte setzen sich der allmählichen Verformung kaum entgegen, das Segel verformt sich als homogene Fläche.
    Ein mit Kappnähten hergestelltes Segel sollte meiner Meinung nach entlang der Nähte der Verformung stärkeren Widerstand entgegensetzen als die normale Segelfläche. Die Verformung wäre dann eher "beuliger".
    Wie stark eine solche Verformung ist hängt von der Segelform und dem Segelmaterial ab, wie relevant das mit Einzelfall ist kann ich nicht beurteilen. Zumindest bei Segeln kann man oft gut erkennen, wo durch die jeweilige Nahtwahl das Verformungsverhalten beeinflusst.


    Grusserik

    "Kann ich bitte Deine Kekse haben?"

    Zitat

    Wie stark eine solche Verformung ist hängt von der Segelform und dem Segelmaterial ab, wie relevant das mit Einzelfall ist kann ich nicht beurteilen. Zumindest bei Segeln kann man oft gut erkennen, wo durch die jeweilige Nahtwahl das Verformungsverhalten beeinflusst.


    Yepp, sehr wichtig, da man diese Wirkung bewusst einsetzen kann. Das geschieht häufig an der Kielnaht, aber auch entlang der der Kraft-Wirkungslinien Wisker-Leitkante oder im Nasenbereich lassen sich diese Verstärkungen sinnvoll einsetzen.

    À plus


    Steph/Elément'Air
    Calvados/France

    Version B ist sicher etwas unhandlich zu nähen, es sei denn, man zeichnet sich die Anlagekante auf das Tuch. Im Drachenbau ist das absolut unüblich. Allerdings gibt es Kapper für die Nähmaschine, die beide Paneele etwas einschlagen und ineinander schachteln. Wer über den Luxus einer Zweinadelindustrienähmaschine verfügt kann die Kappnaht ähnlich Version B so in einem Arbeitsgang realisieren. Mit Spinnakernylon würde ich das aber nicht unbedingt versuchen, eher mit Cordura, Jeans oder anderen schweren Textilien. Wer noch einen alten Tramontana hat kann dort Nähte bewundern, die warscheinlich so genäht wurden, nur dass dort mit Dreifachzickzack drübergenäht wurde. Ich vermute mal, dass die Radien mit einer Doppelnadelmaschine Probleme bereiten.


    Kappnähte lassen sich in stark belasteten Bereichen als Zugentlasung verwenden. Das geht aber auch mit Segelmachernähten, wenn man die Laufrichtung des Tuches mit der Naht verlaufen lässt. Das mit den beuligen Segeln ist in der Theorie schon richtig. In der Praxis habe ich aber noch kein Segel gefunden, dass durch diese Nahttechnik beulig geworden ist. Die Festigkeit der Naht stützt die angrenzenden Bereiche mit. Allerdings habe ich schon genügend Segel gesehen, die aufgrund fehlender Nähte in Bereichen großer Belastung ( z. B. Standoffbereich)ausgebeult waren.


    Gruß
    Heiko

    @ Datenland, Heiko & Steph - sehr interassente Aspekte, die ihr da eingebracht habt...danke!

    Grüße .. Josef



    "Wo geht der denn angeln hier?" - "Wahrscheinlich geht er jagen?!" - "Ach so..."

    Zitat

    Original von Heiko...
    Version B ist sicher etwas unhandlich zu nähen, ....


    Ganz im Gegenteil. Wenn die erste Naht fertig ist, die beiden Teile auseinandergezogen
    sind, und der mehrlagige Teil angenäht werden soll, ist die Neigung des Tuches, sich
    entgegen der Faltung wieder auseinanderzubewegen bei Version B erheblich geringer. Die
    zweite Naht ist meiner Meinung nach deshalb erheblich leichter durch die Maschine zu bringen.


    Zitat

    ....es sei denn, man zeichnet sich die Anlagekante auf das Tuch.


    Ja klar, das ist ein wirklicher Nachteil und ziemlich aufwendig. Ich markiere 2 Punkte
    an den Enden des Tuches, 8mm vom Rand entfernt und ziehe eine grobe unterbrochene
    Linie mit einem Kreidestift am Lineal entlang. Dauert etwa 30 Sekunden... tja.


    Danach gehe ich mit einem Prittstift innen entlang der Kreidelinie, und lege anschliessend
    das obere Tuch drauf. Es lässt sich problemlos ausrichten, auch wieder ganz lösen, oder
    durch "streichen" milimeterweise verschieben. Dann lass ich's 5 minuten liegen und widme
    mich in gleicher Manier der anderen Segelhälfte. Das Resultat sind danach zwei aufeinander
    fixierte Paneelstücke, die sich ohne Probleme durch die Maschine schieben lassen. Danach
    verwende ich erneut den prittstift, um den 8 mm-Überstand umzufalzen. Wieder eine kurze
    Pause, die ich mit der anderen Segelhäfte verbringe. Danach die beiden Paneelteile ausein-
    anderziehen, die Falz "flachlegen" und annähen. Das geht sowas von einfach....
    ...wobei sich bei mir mit Version A die Falz immer wieder unter dem Nähfuss rausquetscht oder
    verschiebt. Die Version B wirkt dem allein durch die Art der Tuchlage entgegen.


    Zitat

    ... Im Drachenbau ist das absolut unüblich.


    Nicht alles was unüblich ist ist schlechter. "Unüblich" eignet sich imho auch nicht als Argument
    gegen Version B.


    Ich habe meine ersten Drachen alle mit Version A genäht. Die Ergebnisse waren wirklich nicht zu-
    friedenstellend. Ich denke auch nicht, dass Version B aufwendiger ist. Im Gegenteil, bei der 2. Naht
    glaube ich sogar, dass es damit einfacher geht. Aber wie schon so oft bei den "Welcher-ist-der-
    richtige-Drachen-Anfragen" gegebenen Anworten, dass man verschiedene probieren muss, um
    sich besser entscheiden zu können, glaube ich auch hier, man muss beides versuchen, und schauen
    mit welchen Ergebnis man zufriedener ist.

    Heiko

    Zitat

    Das mit den beuligen Segeln ist in der Theorie schon richtig. In der Praxis habe ich aber noch kein Segel gefunden, dass durch diese Nahttechnik beulig geworden ist. Die Festigkeit der Naht stützt die angrenzenden Bereiche mit.


    Einen solchen Effekt habe ich durch Zufall an unseren Teamdrachen feststellen können, die Anfangs aus Nylonspi genäht waren. Durch Ausbildung einer Beule hinter der Leitkante im Bereich der UQS nach mehreren Flugstunden, ergab sich hier durch Zufall ein Profil, das dem Drachen eine hohe Spurtreue verlieh. Neu angefertigte Segel waren jedesmal deutlich ungenauer. Durch Veränderung des Segeldesigns und anderer Nahtverläufe verschwand diese Beule und leider auch ein Teil der Spurgenauigkeit, worauf wir wieder auf die alte Segelpanelanordnung zurückkamen.
    Ein solcher Effekt macht sich jedoch vorwiegend bei Nylon-Tuch bemerkbar, Polyester-Tücher bleiben auch bei längerer Benutzung wesentlich formstabiler.
    Ich denke aber auch, das solche empirischen Erkenntnisse eher einem glücklichem Umstand zu verdanken sind, und so etwas nur wenig planmässig eingesetzt werden kann.
    (Bin aber immer wieder erstaunt, wie gut ältere Drachen, wie z.B. der NSR hinsichtlich solcher Details konzipiert waren.)


    Thomas
    Wenn Heiko von "unhandlich" und "unüblich" spricht, bezieht sich das mehr auf den professionellen Drachenbau und da, das wirst du selber schon gemerkt haben, findet man die B-Variante überhaupt nicht. Das liegt einfach daran, das es mit den anderen schneller, sprich billiger geht.
    Mit der von dir beschriebenen Vorgehensweise schafft man gut 3-4 Nähte in der Stunde. Soviel wie ich in der Produktion für das ganze fertige Segel veranschlage, mit Zuschneiden, Verstärkung und allem drum und dran. :)
    Aber darum geht es uns ja auch nicht, denn wie du schon sagtest:

    Zitat

    ...dass man verschiedene probieren muss, um
    sich besser entscheiden zu können, glaube ich auch hier, man muss beides versuchen, und schauen mit welchen Ergebnis man zufriedener ist.


    Wenn man Drachenbau als Hobby betreibt zählt letztendlich nur, daß man Spaß dabei hat und mit dem Ergebnis zufrieden ist. ;)

    À plus


    Steph/Elément'Air
    Calvados/France

    Zitat

    Wenn man Drachenbau als Hobby betreibt zählt letztendlich nur, daß man Spaß dabei hat und mit dem Ergebnis zufrieden ist. [Zwinkern]


    Genau so!


    Aber auch noch was zum Thema von mir: Ich habe Version B mal leichtsinnigerweise so genäht, das ich beide Kanten vorgeknickt, dann ineinandergeschoben, und dann erst genäht habe. Ich habe alle Bedenken meiner Frau weggewischt weil ich dachte: Das sieht nachher besser aus (zwei Nähte durch jeweils alle vier Stofflagen).
    Das Ergebnis ist tatsächlich vom optischen sehr gut geworden, aber: Der Aufwand und die Fummelei beim Nähen sind nichts für schwache Nerven. Ich werde es so auf jeden Fall nicht mehr praktizieren.


    Und noch ein Link zu einer farblich abgesetzten Kappnaht. Das geht meines Wissens mit einer Segelmachernaht nicht so einfach.

    Zitat

    Original von Steph
    Wenn Heiko von "unhandlich" und "unüblich" spricht, bezieht sich das mehr auf den professionellen Drachenbau und da, das wirst du selber schon gemerkt haben, findet man die B-Variante überhaupt nicht. Das liegt einfach daran, das es mit den anderen schneller, sprich billiger geht.
    Mit der von dir beschriebenen Vorgehensweise schafft man gut 3-4 Nähte in der Stunde. Soviel wie ich in der Produktion für das ganze fertige Segel veranschlage, mit Zuschneiden, Verstärkung und allem drum und dran.


    Professioneller Drachenbau....?... als wenn ich Amateur da mitreden könnte. Ich kann mir
    wohl vorstellen, dass es bei einer Serienproduktion flott gehen muss. So ein rumgehampel
    wie ich das in meinen Bauphasen veranstalte, wäre dabei -ums vorsichtig auszudrücken- ein
    wenig unwirtschaftlich *lacht*
    Mein letzer "grosser" hat, beginnend mit dem ersten Strich auf dem Papier, bis zum letzten
    Knoten an der Waage fast 6 Wochen gedauert. 3-4 Nähte in der Stunde... mannomann... ist ja
    geradezu Akkord... eine Naht am Abend je Segelhälfte ist bei mir der Leistungsindex... :D


    Ich rede während der ganzen Zeit natürlich nur von der privaten hobbybauerei... die zum Teil
    nicht mal auf gescheiten Nähmaschinen stattfindet.... so wie bei mir in der Vergangenheit. Erst
    jetzt gerade habe mir ich eine alte Pfaff gegönnt. Und nun sieht's wieder alles gaaaanz anders aus.


    Zitat

    Wenn man Drachenbau als Hobby betreibt zählt letztendlich nur, daß man Spaß dabei hat und mit dem Ergebnis zufrieden ist. ;)


    :H:

    hier ist mal eine abgewandelte Form einer offenen Kappnaht, wie ich sie am Jump meiner Frau gesehen habe: Die 2. Naht ist eine Segelmachernaht, find' ich auch nicht schlecht :)
    - Drachen Bild nicht mehr verfügbar -


    Mal 'ne andere Frage. Was spricht eigentlich dagegen, offene/geschlossene Kappnähte auch mit Nittotape zu kleben?

    Grüße .. Josef



    "Wo geht der denn angeln hier?" - "Wahrscheinlich geht er jagen?!" - "Ach so..."

    LevelOne verwendet öfter eine kreative Mischung aus beiden Nahtformen, oftmals sehr attraktiv.


    Zitat

    Mal 'ne andere Frage. Was spricht eigentlich dagegen, offene/geschlossene Kappnähte auch mit Nittotape zu kleben?


    Die Kappnagelfraktion meint glaube ich das Vorkleben nicht nötig ist.


    Erik

    "Kann ich bitte Deine Kekse haben?"