"Aquarius" - ein 2,40 m-Freestyler von Scirocco-Kites
Seit dem Frühjahr hat Matthias Franke eine neue Eigenentwicklung in seinem Lenkdrachenprogramm, den Fullsize-Freestyler "Aquarius". In der Kite&Friends-Ausgabe 5/2007 wurde der Drachen schon unter Neuheiten mit einem kurzem Feature vorgestellt.
Auf seiner Homepagehttp://www.scirocco-kites.de beschreibt Matthias den Aquarius als "Ballett- und Freestyledrachen der oberen Klasse". Eine, für sein Understatement bekannten Matthias, sehr offensive und selbstbewusste Aussage!
Ich hatte die Gelegenheit den Aquarius einige Wochen zu fliegen. Meinen Eindruck über diesen Drachen möchte ich hier weitergeben, denn ich kann Matthias, und der Lenkdrachenszene bestätigen, dass der Aquarius durchaus im Bereich der High-End-Lenkdrachen anzusiedeln ist.
Das sich der Drachen in dieser Liga einreihen kann, ist in erster Linie Matthias' Können als Drachenbauer und -konstrukteur zu verdanken. Für die Feinabstimmung der Flugeigenschaften stand ihm Michael Koopmann (aka Köpi) Entwickler des ebenfalls von Matthias gefertigten und vertriebenem "Hybrid", zur Seite. Wenn zwei solche Tüftler ihr Know-How zusammenwerfen kann nur etwas Hochwertiges dabei herauskommen.
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Technische Daten Aquarius STD:
Hersteller: Scirocco-Kites, 21335 Lüneburg
Kategorie: Freestyle, Ballett, Wettkampf
Ausstattung
Gestänge: Leitkanten Skyshark P200
Untere Querspreizen Skyshark 5PT
Obere Querspreize/Kiel 6mm CFK Exel-Extreme
Segel: Icarex PC31, 10 Paneele je Seite
Waage: Turbowaage, Knotenleitern an LK-Verbindern und Mittelkreuz
Spannweite: 240 cm
Gewicht: 334 g
Leinenempf.: 30 - 70 daN/30 - 45 m
Windbereich: 8 - 40 km/h (möglich)
Idealer
Windbereich: 12 - 30 km/h
Zubehör: Großzügig dimensionierter Nylonköcher mit Extratasche. 16 g Gewicht-Set. Vorsegel gegen Aufpreis.
Preis: 259,-Euro (Std.), eigene Farbwahl ohne Aufpreis
In eigener Sache
Aussagen über ein Produkt sind für andere nur verwertbar, wenn die "eigenen Qualitäten" dazu in Relation gesetzt werden. Ich bin ein Fun- Freizeit-Durchschnittspilot, dem mit einem geeignetem Drachen, bei guten Windverhältnissen, Comète und 3-fach-Yoyos gelingen. Was darüber hinausgeht steht weiter auf dem Übungsplan. Jedenfalls kann ich Double-Ladole mit abschließendem Wapdoowap-Auswickeln und Yo-Fade noch nicht zu meinen regelmäßig wiederholbaren Moves rechnen. An wettkampfgeeigneten Drachen haben sich Titan, Evotec.814 und Surprise in meiner Tasche aufgehalten. Geblieben sind Nirvana und Tsunami. An Freestylern hatte ich Easy, Gemini, Miracle, Eixir, LeVirus, geblieben sind vier Abraxen. und ein JJF vor kurzem hinzugekommen.
Ein Wassermann geht in die Luft
Durch das ausschließliche Fliegen der oben genannten "Dauerdrachen" bin ich eingeschossen auf deren Flugeigenschaften, man könnte auch sagen "versaut", und war deshalb sehr neugierig auf den Aquarius. Das Abraxas, JJF und Aquarius zwei verschiedene Welten sind, war mir klar. Das sich das Handling des annähernd gleich großen Nirvana aber auch nicht so ad hoc auf den Aquarius übertragen ließ, hat mich dagegen erstaunt. Letztlich kann ich hier auch nicht leichthin schreiben, dass sich der Auarius ein bisschen wie der Franzose X, der Deutsche Y, der Brite Z, oder der Q aus Seattle fliegt;-). Er hat, irgendwie, seinen ganz eigenen Charakter.
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Nach einer kurzen Gewöhnungsphase gelang mir dann aber, alles was ich so kann, auch in schöner Regelmäßigkeit mit dem Aquarius Der Drache fliegt sich ab 10 km/h sauber und kontrolliert. Bis 20 km/h ist seine Fluggeschwindigkeit sehr moderat. Mir persönlich hat besonders gefallen, dass der Aquarius, trotz seiner Größe, in diesem Windbereich nicht allzu viel Druck aufbaut, und deshalb ein leichtes und angenehmes Handling zulässt. Dies wird durch kurze Lenkwege unterstützt. Ab 20 km/h-Wind kommt dann aber deutlich mehr Feedback über die Leinen, der Drache wird schneller, der Pilot muss es auch werden. Dennoch brauchte ich bis 30 km/h-Wind keine Leinen über 60 daN. Im Windbereich ab 15 km/h kommen dann auch die Präzisionseigenschaften des Drachens so richtig zur Geltung. An 40 m-Leinen gehängt kann man sich mit ihm jetzt in einem riesigen Windfenster hemmungslos an geometrischen Figuren auslassen.
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Old School Moves und Modern Freestyle mit einem Drachen
Ja, das ist es, was für mich den Reiz des Aquarius ausmacht. Stabile Sideslides durch das gesamte Windfenster, flache Schwebe-Rotationen bei allen Axelspielarten und den Flat-Spin-basierenden Moves. Und anschließend die ganzen Klipp-Klapp-, Wickel- und Purzel-Moves abspulen. That's it!
Der Fade lässt sich gleichermaßen leicht aus Axel, Halfaxel oder einem Pancake einleiten und ist dann so stabil, dass man erst mal reichlich Zeit zum Überlegen hat, ob man nun simple Flic-Flacs, Backspin-Varianten, Wapdoowap, oder über eine Lateral-Roll einen One-Way-Yoyo machen will.
Der Backflip lässt sich mühelos zweileinig im Steigflug, oder durch Anziehen einer Leine im Horizontal-, Diagonal- oder Abwärtsflug auslösen. Bei ausreichend tiefstehender Nase ist der Backflip sehr stabil und kann statisch oder als Lifter gehalten werden. Bei dieser Idealposition neigt der Aquarius allerdings auch dazu, gleich von selbst in einen Yoyo zu schwenken, was man wiederum für einen "eingeschaukelten" Yoyo nutzen kann. Natürlich sind jetzt alle aus dem Backflip hervorgehenden Moves möglich: Lazy Susan, Multi-Lazy, Insane oder nach einer halben Lazy weitermachen mit einer Jacob's Ladder, oder, oder, oder...
Und dann der Cométe. Nicht nur, dass der Aquarius den Comète sehr bereitwillig macht, nein, er macht ihn mit Augen und Ohren nachvollziehbar. Flapp...flapp...flapp...flapp.....flapp-flapp-flapp-flapp, und du siehst, wie bei einer schnellen Screenshot-Folge, was bei jedem "Flapp" passiert. Irre! (Wind und Drachen waren an den Flugtagen Comèten-geeignet ;-).
Alle Boden-Recoveries gehen ebenso kinderleicht mit dem Aquarius, wie die anspruchsvollen Startvarianten Flap-Jack, Yoyo-Start und K 2000. In der Luft recovert der Aquarius aus den Tricks sehr leicht. Aber auch nach vergurkten Sequenzen, bei denen ich glaubte, dass nix mehr zu retten sei, "berappelte" er sich quasi selbst und flog weiter.
Landemanöver sind mein schwaches Fach, ein paar saubere Zweipunkt- und Spike-Landungen waren dann aber doch noch drin.
Die Bandbreite vom agilen 2,40 m-Freestyler bis zum präzisen Wettkampfdrachen erreicht der Drache über die multiplen Verstellmöglichkeiten an allen drei Waageschenkeln. Knotenleitern mit bis zu sieben Knoten in 1cm-Schritten ermöglichen es wohl jedem Piloten den Drachen auf seine Vorlieben, oder eben schwerpunktmäßig auf Trick-, bzw. Präzisionseigenschaften einzustellen.
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Optik und Verarbeitung
Das Segel des Aquarius besteht aus 10 Einzelpaneelen pro Seite, die mit sauberen Segelmachernähten und mittig mit einer geschlossenen Kappnaht zusammengefügt sind. Die geometrische Gestaltung und Anordnung der Paneele geben dem Drachen einerseits eine dynamische Optik für die Freestyle-Sessions, lassen ihn aber auch an 45m-Leinen sehr präsent und markant am Himmel wirken. Die Farbkombi an meinem Leihdrachen aus lediglich Schwarz, Weiß und zwei Tupfern Rot unterstützte diese optische Performance zusätzlich. Natürlich fertigt Matthias den Drachen auch in Custom-Colors.
Die handwerkliche Verarbeitung des Drachens ist tadellos und braucht den Vergleich mit den Kollegen aus der oberen Klasse nicht scheuen. Alle besonders beanspruchten Stellen am Drachen sind ausreichend verstärkt. Die (überstandlose) Nase ist aus LKW-Plane. Für die Abdeckung der Verbinder auf den Leitkantenstäben übernahm Matthias eine Lösung von Michael Koopmann, die auch beim "Hybrid" zur Anwendung kommt. Er werden jeweils zwei Löcher auf der Innenseite der (Dacron-) Leitkantentaschen ausgeschnitten. Der Stab tritt aus der einen Öffnung heraus, dann, inzwischen mit dem Verbinder versehen, in die andere wieder hinein. Hinter-/über dem Stab liegt die doppellagige Leitkantentasche. Genial einfach, "...but it works". Die Schleppkanten sind am Rücken des Drachens getrennt über zwei Gummitampen spannbar. Der Pilot kann den Drachen also mit ein paar Handgriffen wahlweise laut oder leise fliegen lassen.
Bei der Bestabung kommen Skyshark und pultrierte 6 mm-ExcelExtreme-Stäbe zum Einsatz. Die Verbindertechnik stammt von APA, R-Sky, HQ und FSD.
Der Köcher ist aus robustem Nylon und großzügig dimensioniert. In eine mit Klettband verschließbare Außentasche passen 2 - 4 Winder, Schlaufen und Kleinteile. Geteilte Leitkanten ermöglichen ein kompaktes Packmaß.
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Gibt es an diesem Drachen auch etwas zu kritisieren?
Ja, aber nur subjektiv. Ich kam mit den Yoyo-Stoppern von HQ nicht zurecht.. Die "Treffer-und-Hält-Quote" der Leinen bei Yoyos sank erheblich gegenüber Nirvana und Abraxas (böse Zungen werden das jetzt auf dem Konto "Unvermögen des Piloten" abbuchen. Dürft Ihr auch;-). Die am Drachenrücken unter dem "Mittelkreuz" montierten 16 g sind von Matthias und Michael als optimal für den Drachen ausgetüftelt worden. Nun, gerade das Gewichtstuning ist bekanntermaßen eine sehr individuelle Angelegenheit. Mir waren die 16 g zu wenig. Aber das sind Kleinigkeiten, die mit Matthias bei der Bestellung des Drachens abgestimmt werden können. Oder man pfrimmelt sich den Drachen eben selbst auf seine Vorlieben (Schwächen?!;-)) hin. Ist ja bei anderen namhaften High-End-Drachen nicht anders (ich sage nur: "Basteldrachen aus Frankreich" :-O ), und gibt mir immer das Gefühl, etwas "Eigenleistung" eingebracht zu haben.
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Mein Resümee
Mit seiner Deklaration "Ballett- und Freestyledrachen der gehobenen Klasse" hat Matthias Franke sich nicht zu weit aus dem Fenster gelehnt. Diese Attribute hat der Drache wegen seiner flugtechnischen Bandbreite und Verarbeitungsqualität durchaus verdient. Bisher ist die Standardversion erhältlich. Die SUL, UL und Vented-Version für ein Wettkampf-Set sind in Vorbereitung
Der Aquarius ist aber gleichermaßen für ambitionierte Freizeitpiloten geeignet, die gern das Potential eines Wettkampfdrachens zur Verfügung haben, um dann auch mit ihrem eigenen Können daran wachsen zu können.
Also: Für Zweileiner-Piloten, die einen Drachen abseits der angesagten Modelle und Marken fliegen wollen, egal, ob sie bereits aktiv im Wettkampfgeschehen sind, an einen Einstieg denken, oder einfach auf einer Wiese nur optimierten Drachen-Fun haben möchten, ist der Aquarius in jedem Fall eine sehr gute Wahl. Der Preis dürfte dabei ein weiterer angenehmer Anreiz sein.
Jürgen Geithner
- Editiert von butcher am 17.10.2007, 13:49 -