Entwicklungsgeschichte eines Kites

    Hallo!
    Hier eine kleine Zusammenfassung von meiner Entwicklung eines Wettkampfdrachens. Ich freue mich über jegliche Art von Meinungsäußerung und hoffe euch gefällt der Text:


    Drachentyp und Name:
    Ich, grad 22 Jahre alt geworden, fing nach 3-4 Jahren Drachenpause und vorher erfolgreicher Wettkampfkarriere wieder an zu fliegen. Ich kaufte mir einem Styx, der bis jetzt ein treuer Gefährte von mir ist. Dieser Drachen faszinierte mich, da er alles so locker ausführte und mir selbst nach so langer Pause alle neuen, mir vorher unbekannten Tricks ohne Mühe gelangen und natürlich fliegt er auch ziemlich präzise. Ich wollte so was unbedingt auch entwickeln; so eine Art neue Stufe meiner Drachenkarriere. So entstand die Phina im meinem Kopf. Der Name ist eine Art Dank an meine Freundin und meine Mutter, die mir bei der Entwicklung sehr halfen und helfen.


    Segelform und Schleppkante:
    Ich weiß nicht warum, aber für mich stand fest, dass ich einen geraden Drachen bauen wollte, will heißen, dass die Schleppkante, die jetzt zwei Ecken pro Seite hat, und auch die Leitkante gerade sein sollten. Mein erstes Segel hatte leider eine viel zu geringe Streckung; also ein zweites mit mehr Streckung und etwas mehr Segelfläche genäht und für gut befunden. Da ich weiß, dass so viele Parameter das Flugverhalten beeinflussen blieb von nun an die Segelform so, wie die der zweite Version mit ca. 2,2m Spannweite. Ich benutzte keine Saumschnur wegen der Form und da ich höchste Präzision erreichen will.


    Leitkante:
    Ich habe noch nie harte Leitkanten gemocht, z.B. find ich den Styx Comp schlechter als den Std. Auch in meinen alten TrickTail und Illusion hab ich 6mm Excel Extreme eingebaut. Es liegt wohl daran, dass die Stäbe mehr arbeiten und mein Eckflugstil besser für sich biegende Leitkanten ist. Außerdem mag ich knackige Landungen, lies eine gewickelte Leitkante würde oft brechen und ich staune immer wieder was gezogene Stäbe aushalten. Ich verwende 5mm Leitkanten für Leichtwind, 6mm für mittlere Winde und aus Gewichtsgründen für viel Wind 6mm mit 4mm Füllung. Snakes, die ich beim Skymax geliebt habe, haben bei der Phina die Auswirkung, dass sie mehr Böen verträgt, leider aber nicht mehr ganz so knackig fliegt. Zur Zeit tendiere ich gegen die Snakes in meinen Kite.


    Standoffs:
    Ich versuchte erst nur einen Standoff pro Seite. Egal wie ich ihn positionierte blieb das Flugbild leider schwammig. Zwei Standoffs pro Seite brachten folgendes Ergebnis: Der innere Standoff regelt den Druck im Segel, je weiter innen desto mehr Druck; bis heute benutze ich ihn als Windtuningsmaßnahme. Je weiter außen der äußere Standoff ist desto knackiger sind die Ecken, was ich absolut mag. Jedoch gilt auch je weiter außen, desto schlechter klappt der Backspin. Eine Zwischenvariante war nicht befriedigend. Die bisherige Lösung ist ein sehr weit außen sitzender Teleskopstandoff, der unter wenig Spannung steht. Im Fade wirkt er sich nicht negativ auf das Backspinverhalten aus und im Normalflug zieht er sich auseinander, was knackige Ecken gewährleistet.


    Profilierung:
    Ich habe drei identische Drachen, die sich nur bezüglich der Profilierung unterscheiden, gebaut. Das Kite flog ungefähr von 4-20 m/s. Bei ca. 14km/h machte der Drachen mit der stärksten Profilierung am meisten Druck. Bei ca. 4 km/h zog der Drachen ohne Profilierung am meisten. Bei 20km/h rissen alle gleich an der Leine. Da die Bestabung eher für wenig Wind war und das Teil mit mittlerer Profilierung bei ca. 7km/h am meisten zog, entschied ich mich für die mittlere Profilierung in meinen Kites.


    Nase und Obere Spreize:
    ,,Lass ihn arbeiten,, war mein Motte; also breite Nase.
    Mit kleiner Nase ist die Präzision schlechter und das will ich auf gar keinen Fall.
    Mit langer oberer Spreize geht Axelkaskade und FlicFlac besser und mit kürzerer ist er präziser und braucht weniger Wind. Da ich ein Präzisionsfreak bin, benutze ich eine sehr kurze obere Spreize.


    Untere Spreizen:
    Sehr lustige Entwicklungsgeschichte: Eigentlich war mir klar, dass ich wie in vielen aktuellen Kites je nach Wind G-force Skinny, Ul und Std verwende. Als Anfängerdrachen für meine Freundin habe ich eine 6mm durchgehende untere Spreize benutzt, damit die Bruchgefahr minimiert wird. Hab den Anfängerdrachen kurz eingelogen und WOW flog echt klasse. Hah selbst mit billigen 6mm Stab fliegt meine Phina gut! Na ja, also Competition-High-Performance-Kite ausgepackt und schluck: es fliegt schlechter. Also auch in das Edelteil eine durchgehende 6er Spreize, die mit einem gelochten APA-Verbinder an dem Kiel gehalten wird. Im Flug sieht die untere Spreize stark U-förmig aus, was für meinen Flugstil die Präzision und Böenempfindlichkeit verbessert. Die Tricks gehen unabhängig von der Spreizenwahl immer gleich gut.


    Kiel und Verbindung mit oberer Spreize:
    Gestartet hab ich mit einem 6mm gezogen Stab. Bei viel Wind verbog er sich sehr, was überhaupt nicht gut für das Flugverhalten war. Nächster Versuch war ein Excel-I-G-Force UL, der leider sehr schnell brach. Also die Std-Variante reingepackt, die fast noch schneller brach und dabei auch noch das Segel zerriss... Ich wollte keine gewickelten Stäbe im Kiel verwenden und entschloss mich einen 6mm Stab zu benutzen, der über einen gelochten APA-Verbinder mit der oberen Querspreize verbunden wird. Dieses System ist bis jetzt noch nicht gebrochen und hat eine akzeptable Stabilität.


    Waage:
    Supergeil, mit riesigen Windfenster und Windbereich, fliegt mein Drachen mit einer Aktivwaage. Mein Problem ist nur, das er zu sehr auf kleinste Bewegungen durch Laufen reagiert. Da ich mich grundsätzlich sehr viel beim Fliegen bewege, ist das für meinen Flugstil nicht optimal. Eine Dreipunktwaage ist für konstanten Wind auch gut, jedoch bei dem böigem Wind in Berlin problematisch, da es keinen Wind gibt, auf den ich den Drachen einstellen kann. Also bleibt nur eine Turbowaage mit ca. 8cm Turboschenkel, die ich für meinen Flugstil noch mit einen Waageschenkel versehen habe, der vom Kreuz ca. 4cm verläuft und von dem die inneren Schenkel der Waage abgehen, wodurch die Waage beim Kurvenflug mehr arbeiten kann.


    Yoyo:
    Egal, welche Yoyo-Stopper und wo ich sie verwendet habe, immer bleibt die Flugleine hängen und zwar auch wenn sie es nicht soll. Deshalb verwende ich eine Yoyoleine, mit der der Drachen im Yoyo zwar schwammiger fliegt, die aber nirgends hängen bleibt und die auch bei anderen Tricks die Möglichkeit des Hängenbleibens an anderen Stellen minimiert. Multiple Yoyos gehen mit multiplen Yoyoleinen ohne Probleme.


    Bowline:
    Hab viel probiert und am besten funktioniert eine Bowline, die vom inneren Standoffverbinder an der Spreize zum Kiel- bzw. Leitkantenende geht. Sie wird durch ein Haargummi meiner Freundin unter Spannung gehalten.


    Präzision und Trickflug:
    Ich würde die Phina als trickreichen Präzisionsdrachen bezeichnen, und nicht als präzisen Trickser. Es gehen wirklich alle Tricks; für mich auch relativ einfach. Tests haben jedoch gezeigt, dass andere Kiter eine relativ lange Gewöhnungszeit brauchen...


    Design:
    So weit bin ich noch nicht....


    Et viola: Die aktuelle Version der Phina.
    Es hat mir bis jetzt unglaublich viel Spaß gemacht, herum zu tüfteln und zu tunen, und ich bin gespannt welche Veränderungen ich noch vornehmen werde, um einen für meinen Flugstil optimal passenden Drachen zu entwickeln.

    :H: Danke für die Einblicke, ist immer wieder interessant sowas zu lesen ...


    Bin ich froh, das ich grade nur nen Speedvogel "entwickel", der muss nicht tricksen können :-O Aber recovern tut er wie ein Doofer :D

    Greetz


    Wissen ist Nacht!


    Eines der gefährlichsten Geräusche, die man machen kann, ist laut denken.

    Hallo Gregor,


    schöner Bericht :H:
    Hoffentlich werde ich dich und deine Eltern bald wieder auf unseren Wettbewerben sehen.


    Außerdem werden Matzel und ich mal deine Phina auf Herz und Nieren testen wollen ;)


    Zitat

    Es hat mir bis jetzt unglaublich viel Spaß gemacht, herum zu tüfteln und zu tunen, und ich bin gespannt welche Veränderungen ich noch vornehmen werde, um einen für meinen Flugstil optimal passenden Drachen zu entwickeln.


    Glaub mir, der eigene Drachen wird niemals fertig :)


    Viel Spaß und Erfolg beim umsetzen eines Designs.

    Vielen Dank für den wirklich informativen Bericht!!
    Man merkt, daß da sehr viel Erfahrung drinsteckt.
    Beim Lesen hat sich für mich die Erkenntnis bestätigt, daß ein ganz wichtiger Faktor für eine erfolgreiche Drachenentwicklung ist, ganz genau zu wissen, was man eigentlich erreichen möchte.
    Beeindruckend finde ich, daß Du da so zielgerichtet vorgegangen bist und den Drachen wirklich nur für "Dich" optimiert hast. Daran werde ich bei meinen Projekten denken! :H:

    Sehr interessantes Posting! Wie wird denn ein Teleskopstandoff konstruiert?
    Erik

    "Kann ich bitte Deine Kekse haben?"

    Zitat

    .....Glaub mir, der eigene Drachen wird niemals fertig :) ...

    Wieso kommt mir das nur bekannt vor....... :-o :D

    Gruß
    Achim


    Wirkliche Intelligenz beginnt dort, wo man erkennt, dass es mit dem eigenen Unterscheidungsvermögen nicht so weit her ist......

    Hi!


    Erstmal einen Dank für die lobenden Worte von euch!


    Zitat

    Glaub mir, der eigene Drachen wird niemals fertig


    Das stimmt! Ist aber auch gerade für mich das schöne daran.... ;)

    Zitat

    Außerdem werden Matzel und ich mal deine Phina auf Herz und Nieren testen wollen


    Nichts lieber als das, Thomas! :)

    Zitat

    daß Du da so zielgerichtet vorgegangen bist und den Drachen wirklich nur für "Dich" optimiert hast. Daran werde ich bei meinen Projekten denken!


    Freut mich, wenn der Text inspirierende Wirkungen hat.
    Ist schon interessant, wie unterschiedlich die Geschmäcker sind: Mein Pairflugkollege kommt mit meiner Phina gar nicht klar, was für mich natürlich sehr schade ist. Naja, den Drachen für alle gibts halt nicht!

    Zitat

    Wie wär's mit einem Foto?


    Klar!
    Hier die flugtechnisch aktuelle Version:
    - Drachen Bild nicht mehr verfügbar -
    Und hier noch die ersten Design-Versuche:
    - Drachen Bild nicht mehr verfügbar -
    würd auch gern dazu eure Meinungen hören :)
    Danke

    Zitat

    Sehr interessantes Posting! Wie wird denn ein Teleskopstandoff konstruiert?


    Tricktailähnlich, außer das meiner deutlich mehr arbeitet:


    Ich habe den äußeren Standoff (3mm Kohle, ohne Endkappe) von der Länge her so gebaut, dass er das Segel nur minimal verformt. Genauso lang habe ich einen 5mm Stab gesägt und ihn einfach auf den 3mm-Stab gesteckt. Ich benutze die kleinen leichten HQ-Connector, die ich leicht aufgelötet habe, damit der 5mm-Stab fest sitzt und an der unteren Spreize bleibt.