Schnell! Zugstark! Tödlich!

Öhem.

Nach meiner kürzlichen Rückkehr aus dem Urlaub kann ich zumindest sagen, welcher Drachen bei jenseits der 5 bft die größte verdammte Drecksau unter diesem Himmel ist.

Nämlich dieser hier:

- Drachen Bild nicht mehr verfügbar -

Im unteren Windbereich friedlich wie ein Lamm, bei plötzlich einsetzendem starken Wind passierte dann vollkommen unvermittelt das:

- Drachen Bild nicht mehr verfügbar -

Eben noch bequemes Fliegen im Stehen und ein nettes Gespräch mit den Drachenfliegern von nebenan, urplötzlich einsetzende Gewalt nach vorne. Unbändig. Fast nicht kontrollierbar. Geschätzte 7 bft aus dem Nichts. Blitzschnelle Reaktion und gerade noch den A**** in den Sand bekommen. Beim Drücken auf den Auslöseknopf der Kamera bin ich beinahe aus dem Bild gerutscht. So schnell ging das bei dem Wind. Geschätzte 250m in fünf Sekunden. Jedenfalls kam mir das so vor. Die Geschwindigkeit muss ungefähr 220 km/h betragen haben. Jedenfalls kam mir das so vor. Alles in allem hatte ich zum ersten Mal beim Kiten so richtig Angst. Und ich meine so richtig richtig richtig. Um den Drachen. Um die Menschen am Strand. Um mich. Um die Welt. Das Universum.

Meine Adrenalinausschütung musste irgendwo zwischen Base Jumping und S-Bahn Surfen anzusiedeln sein. Soll heißen, Du machst es trotz körperlichem Schmerz immer und immer wieder. Die Arme tun weh. Die Hände reißen Dir beinahe ab. Das Herz schlägt schneller als bei 100m Sprintern, Du spürst jeden Knochen. Jeden Muskel. Bist stehend K.O. und könntest auf der Stelle tot umfallen. Trotzdem immer wieder eine neue Runde. Es ist wie eine Sucht. Eine Infektion. Meine Frau hat sich drei Mal überschlagen, die Beine und Hüfte übersäht mit blauen Flecken, die Rippen haben geschmerzt. Was passiert: sie baut den Drachen wieder auf und fängt von vorne an. Nimmt den Kampf erneut auf. Immer und immer wieder. Bis es körperlich nicht mehr ging.

Das Ergebnis dieser Orgien:

- Drachen Bild nicht mehr verfügbar -

Ganz ehrlich: wir hatten den Spaß unseres Lebens. Mehr noch als mit der XL. Zumindest bei diesen Winden. Das Teil wird rattenschnell und so zugstark, das es mit Dir macht, was es will. Tunnelblick. Der Körper auf Reflexe reduziert. Dieser Kampf ist auf Dauer nicht zu gewinnen. Dieses harmlos aussehende Teil mit schlappen 2,40m Spannweite macht bei starken Winden mit Dir was es will und wie sie es will. Es ist nur zu schade, dass es selten so weht. Andererseits wird sich mein Körper freuen. Ansonsten würde ich wohl mit 30 das Zeitliche segnen.

Ja. Das war schlimmste Schwämerei für die Pure. Ich weiß. Ich bin ihr verfallen. Das soll nicht heißen, dass S-Kite & Co. schlechtere Drachen wären. Sie alle haben ihren ganz eigenen Reiz. Und das ist gut so.

- Editiert von Badeloddel am 26.08.2004, 01:11 -

Das ist ein ganz geiler Tatsachenbericht. Habe immerhin alleine vor meiner Kiste vor mich hin gelacht. Danke.

Gruss Roger

Schwupp, und wieder einer unheilbar dem Pure-Virus verfallen (!)
Endgültig (!) :H: :H: :H:

Bei dem Wind hättest Du aber ruhig auch mal die XL probieren können. :-O

Gruß
Markus

Brüll. Super Bericht. So könnte ich ein ganzes Buch lesen.
Ich war auch am Wochenende an der Nordsee. Nur 5 bft und nur die XL.
Ich hatte mir eine Pulsuhr mit Brustsensor angezogen, baute den Drachen auf, nahm die Handschlaufen fest in die Hand und schaute kurz vor dem Start auf meine Pulsuhr. 170 Schläge die Minute und das Ding war noch nicht in der Luft... :O Bei 7 bft hätte ich nicht nur einen Puls von über 170 sondern bestimmt auch ein bischen Angstschiss in der Hose :L

Zitat

Ich muss glaub ich demnächst mit String rutschen, da sich einige Damen meines Umfeldes über die alten Liebestöter (warum zieh ich wol die ältesten an? ) unter meiner Drachenhose (die Hose gab auf, also sah man das Darunter) beschwert hatten

Das ist dann der Vorteil bei einer zerissenen Hose und String drunter: Der Angstschiss ist gleich weg.
Untergepflügt im Sand. :-O

Nunja.

Allen Puristen und erfahrenen Fliegern ist diese Charakteristik der kleinen Pure natürlich bekannt. Nehmen wir es als kleine Vorwarnung für Menschen, die so ein Teil zum ersten Mal in der Hand haben und als kleine Geschichte zum Schmunzeln.

Zu den pikanten Details:

Ich wäre froh, wenn ich einen solchen Pops hätte. Aber es ist natürlich der meiner Frau Conny. Meine Schlüpper sind auch bei Weitem nicht so putzig. Und ja. Sie macht alles mit. Zumindest beim Kiten. Sie fliegt die kleine Pure bei 6, die Xl bei 4 und das Gespann bei 3. Und sie kann das. Richtig gut. Dabei habe ich irgendwie immer das Gefühl, dass sie mehr über den Sand schwebt als rutscht. So ähnlich wie der Transrapid. So schnell wird sie dann aber auch. Jedenfalls so ungefähr. Einen Kilometer hat sie so auf'm Po schnell zurückgelegt, dass ich ein Taxi gebraucht hätte, um hinterher zu kommen.

Das sieht dann meist so aus:

- Drachen Bild nicht mehr verfügbar -

Also deutlich eleganter als etwa bei mir. Da haben die guten Pures ja etwas mehr Masse zu bewegen. Ich rutsche eher wie ein Hinkelstein. Aber wehe, der ist erst einmal in Bewegung. Den stoppt kein Strandspaziergänger mehr. Kein Jogger. Kein Hund. Ein kurzes Hoppeln unter dem Po ist das einzige, was ich von Jogger & Hündchen merke, wenn ich darüber rutsche.

[Für die ernsten Menschen unter uns ich überrutsche natürlich weder Jogger noch Hunde und bin sehr umsichtig beim Fliegen]

Zu meiner Schande muss ich aber folgendes gestehen. Nach ihrem ersten Doppelsalto vorwärts verlor Conny die Kontrolle über die Pure. Folge: Absturz aus etwa 30m Höhe. Senkrecht. Spaten.

Mein erster Gedanke war nicht etwa: Hoffentlich geht es Conny gut!?

sondern

Hoffentlich geht es der Pure gut!?

Aber sie hat es überlebt. Anstandslos. Die Pure natürlich.

Ausgerechnet an dem Tag haben wir natürlich unsere Arschleder vergessen. Aber mal ehrlich: wem wäre das bei einer solchen Gelegenheit nicht egal? Zurücklaufen und extra holen? Auf keinen Fall. Nach Murphys Law wäre der Wind dann weg. Lieber die Hosen opfern. Meine war genauso im Eimer, leider war der Akku der Kamera schon leer. Aber selbst wenn. Ein Bild von meinem A**** hätte ich hier eh nicht veröffentlicht. Schon aus reinem Eigenschutz.

Die XL kam aber natürlich auch zum Einsatz. Bis zur ihrer Schmerzgrenze. Wann immer es ging. Da kam der Hinkelstein auch ganz gut ins Rollen:

- Drachen Bild nicht mehr verfügbar -

Bei 5,0 - 6,0 habe ich mich entschlossen, sie nicht mehr zu quälen. Und mich. Und Bertram natürlich auch nicht. Vermutlich ist er beim Lesen meiner Texte in diesem Thread (Spaten der Kleinen, die Große bis an die Schmerzgrenze) eh schon ohnmächtig geworden und bereut die Verkäufe zutiefst.

Höhepunkt dann natürlich das Gespann:

- Drachen Bild nicht mehr verfügbar -

- Drachen Bild nicht mehr verfügbar -

Bertrams Empfehlung die Länge der Verbindungsleinen mit LK+10% zu berechnen, war goldrichtig. Ich habe mich so für 2,82m entschieden und damit sehr gute Erfahrungen gesammelt. Statt der empfohlenen 95er Waage habe ich mich allerdings gleich für 130er entschieden. Sicher ist sicher. Die XL stabilisiert das Gespann wunderbar und liegt wie angenagelt in der Luft, die Kleine steht etwas unruhig davor, aber nicht zu zappelig. Erwartungsgemäß wird das Ganze etwas träger, die Lenkbefehle sollten frühzeitig und großzügig erfolgen, um Manöver noch in sicherer Höhe zu absolvieren. Die Belohnung ist bei 2-3 ein wunderschönes Flugbild, an dem ich mich gar nicht satt sehen konnte. Mit diesem Gespann ist für mich ja ein jahrelang gehegter Traum in Erfüllung gegangen. Betram sagte dann noch, bei 3 ist Ende mit dem Gespann. Da heißt für mich, bei guten 4. Jetzt wird er endgültig vom Stuhl gefallen sein.

Bei 3 fliegt das Gespann für mich perfekt. Großer Windbereich, großer Zug, stabil im Flug, sehr saubere Linien. Absolute Kontrolle. Ein absoluter Hingucker. Für mich als Flieger, weil ich durch die aufsteigende Größe beide Drachen sehen kann. Für die Zuschauer, die reihenweise stehen bleiben, sowieso. Die Geräuschkulisse: Wahnsinn. Leise. Nur dieses Luftschneiden. Ein leichtes Fauchen. Besser geht es nicht.

Bei 4 dann: Wahnwitz. Ein schmaler Grad. Eben noch das beschriebene Schönfliegen, eine Windstärke mehr und der Hinkelstein wird zum Geschoss. Es gibt kein Halten mehr. Keine Chance, irgendwie mechanisch mit den Füßen zu bremsen, die Sohlen fangen an zu glühen, wenn das Gespann in der Nähe der Windfenstermitte steht. Heißt: flach machen, Geschwindigkeit aufnehmen und beten, dass es gut geht. Wo steht der Weltrekord im Drachenschnellrutschen? Wenn unser Sport naturgemäß nicht so Wind- und Wetterabhängig wäre, würde ich mit dem Gespann zur Arbeit rutschen. Umweltfreundlicher und vor allem schneller geht es kaum. Die roten Ampeln wären natürlich eine echtes Problem, weil die allesamt überrutscht werden würden. Bremsen ist ja nicht wirklich möglich.

Bleiben wir also doch besser beim Auto oder dem Rad. Das ist gesünder für uns. Die Jogger. Und die Hunde.

Allerdings muss ich doch sagen, dass ich mir bei 4 Sorgen um die Stabiltät des Gespanns machte. Ich werde die Kleine wohl Betrams Tipp folgend dahingehend umbauen, dass ich eine stärkere Waage und ein stabileres Gestänge verbaue, um auch bei höheren Windgeschindigkeiten das Gespann noch fliegen zu können. Soweit weg kann die Schallmauer dann nicht mehr sein. Wenn ihr dann einen lauten Knall hört, kommt er aus Ulm. Und das ist wie gesagt nur das kleine Gespann. Was mit meinem Weihnachtsgeld passiert, ist jetzt schon klar: eine XXL muss her.

Mein kleiner Traum: einmal das große Gespann von Bertram zu fliegen. Eine Windstärke über der, die er als Maximum angibt. Dann geht es bis zum Mond und wieder zurück.

Ich will fliegen!
- Editiert von Badeloddel am 26.08.2004, 17:22 -

Michi:

Du nennst es Angstschiss, bei uns heißt es Arschwasser [entschuldigt die schlimmen, schlimmen Ausdrücke -)].
Und davon hatten wir. Ganz gewaltig.

@Badeloddel:

Arschwasser ist doch das, was aus irgendwelchen dünnflüssigen Schweißdrüsen rauskommt.
Angstschiss kommt aus dem Enddarm, bei viel Angst aus dem Dickdarm und bei richtig viel Angst: direkt aus dem Dünndarm. Natürlich nur bei starken Männern!! Bei schwachen (ich will keinen Ärger mit den Frauen hier) kommt der Angstschiss direkt aus dem Mund. Dazu könnte man dann auch Brechreiz sagen. :-O

Heinz:

Es geht mir bei meinem kleinen Roman in zwei Teilen dort oben gar nicht mal um den Kick des Powerkitens. Nicht nur um den ganz speziellen Spass, den wir im Urlaub hatten. Sondern eher um das, was uns alle hierher treibt: die Liebe zu unserem Sport. Und eben das ist mir in den zwei Wochen auf der Insel wieder bewusster geworden: diese schönen Momente, die wir beim Drachenfliegen immer wieder erleben dürfen. Die aber immer viel zu kurz sind, ganz egal, wie lang sie tatsächlich währen. Die manchmal so flüchtig sind, aber doch so intensiv. Für einen Augenblick bleibt dann die Welt stehen. Der Alltag ist ganz weit weg. Diese Eindrücke und Erlebnisse, die alle hier kennen. Über die wir uns austauschen. Egal, ob Trickser, Powerkiter, Wettkampfflieger, Freizeit- oder Spaßkiter. Es ging mir darum, das Schöne dieses Sports einzufangen und irgendwie verbal zu kanalisieren. Eben das, was uns alle hier auf eine ganz spezielle Art verbindet.

Und in meinem Fall ganz konkreten Fall noch dies: ich liebe meine Frau. Nicht nur wegen des Kitens. Sondern, weil sie der beste Mensch ist, den ich mir vorstellen kann.

Jetzt aber genug der Sentimentalität.

Zitat

Für einen Augenblick bleibt dann die Welt stehen. Der Alltag ist ganz weit weg.

Ganz genau, das isses. Ich sage immer: Guten Sex hattest du, wenn du deine Sorgen und Probleme zumindest für diese Zeit vergessen hast. Beim Drachenfliegen ist es (fast) genauso. der Alltag ist ganz weit weg. Besser noch: Drachenfliegen geht man ein paar Stunden oder eine ganzen Tag....

@Badeloddel:

Schreib weiter.