Drachenleinen, Bruchlast und Knoten

    Hallo Drachenflieger und danke an alle die hier beigetragen haben.


    Der Grund warum ich's genau wissen will ist weil ich's halt genau wissen will. Mich interessiert das warum und "weil halt/weil's immer so gemacht wurde/weil's alle so machen" finde ich sehr unbefriedigend.

    Die Drachenflieger sind ja schon auch ziemliche Nerds (gut gemeint, bin ja selbst einer) und da gibts bestimmt auch Andere die es genauer wissen wollten und sich mit dem Thema vielleicht schon intensiver auseinandergesetzt hatten und mir davon erzählen hätten können.


    Danke Johannes für Die Links/Videos und Infos. Die habe ich auch gefunden aber das war mir halt leider alles zu ungenau und oberflächlich und ja auch eher How-To Tutorials. Der Link vom Alpenverein war das einzig annähernd Nützliche. Ich mache jetzt statt dem Standard einfachen Schlaufenknoten auch immer doppelte oder sogar neuner Knoten. Ich fliege mit Polyester Leinen und da ist Spleissen irgendwie nicht so geil um zu setzen.


    Ich frage mich warum du bei Einleinern die Schnur bis ans Limit heran in der Stärke wählen möchtest? Was versprichst du dir davon?

    Es geht mir nicht darum die minimal nötige Seilstärke zu nutzen, sondern eben genau dieses Limit relativ präzise zu ermitteln um dann eine Schnur zu haben die auf jedenfall hält bzw. auch darum einen Knoten zu finden der das Seil noch weniger beansprucht als die Gängigen das tun, um wirklich auf Nummer Sicher zu gehen und bei Böen mehr Spielraum zu haben.

    Daher auch meine Frage , wie man denn die Zugkraft eines Drachen bemisst?


    Klar kann ich alles schätzen und dann immer die dickste Leine nehmen aber das ist mir halt zu unpräzise. Fliegt ihr euren 8m Oktopus auch immer gleich mit der 1000KG Leine? Ich nehme an nein, aber warum nicht? wie kommt ihr darauf , dass eine 100KG Leine mit einfachem Schlaufenknoten auch bei einer heftigen Böe völlig ausreichend ist?


    Nehmen wir an ich hab einen 24m Oktopus an einer 300KG Leine. Jetzt schätze ich, dass der Oktopus bei ca 25km/h Wind vielleicht so 80KG zieht. Das basiert auf der Tatsache, dass ich 90KG wiege und den Drachen, zwar mit Kraft, in der Hand halten kann und er mich noch nicht über den Sand zieht. Nehmen wir ausserdem an, der Schlaufenknoten in der Leine reduziert die Bruchlast um 50% also auf 150KG. Jetzt kommt eine Böe und aufeinmal zieht der Oktopus mit 160KG und die Leine reisst. Mit einem "besseren" Knoten wär sie nicht gerissen bzw. wenn ich alles vorher genauer berechnet hätte, hätte ich eventuell gewusst, dass ich gleich eine 500KG Leine hätte nehmen müssen.


    Danke nochmals an alle Schreiber, freue mich auf weitere Meinungen und Erfahrungen.

    Naja, ich fliege auch viel Polyester, greife meist zur Cyclon T2 und die lässt sich hervorragend spleißen.


    Ich sehe die Definition des Nerd hier scheinbar ähnlich wie du, gespleißt mit Mantel, gerade an der 250er T2 wieder mehrfach durchgeführt ;) , das gehört für mich dazu.


    Das mit der Zugkraft ist Erfahrungssache. Will ich es genau wissen, knote ich mal eine Waage ein, die überbrückt bei mir den Anknüpftampen und geht auf den 8er.

    Ich kann Dir nur sagen, dass man manchmal staunt, dass beim singen der Schnur und der Performance vom Drachen da keine größeren Zahlen auftauchen.

    Beim Erstflug bin ich immer konservativ, warte gescheiten Wind ab und nehme eine nicht zu dünne Schnur und Richtung dünner Schnur macht auch nur dann Sinn, wenn der Drachen auch ein Leichtwinddrachen ist. Gucke ich auf meine größeren Softkites, dann hören die irgendwann auf groß zu ziehen, hängen wie ein Schluck Wasser in der Kurve, heben die 550er T2 aber weiterhin einwandfrei in den Himmel. Bevor beispielsweise mein Ray von der 550er T2 zu Boden gezogen wird, lässt er seinen Schwanz schon fast senkrecht runter hängen und ist seitens Zug bei stabil unter 10kg. Das behebt eine dünnere Leine auch nicht - also warum Sicherheit raus nehmen - aber bei entsprechend ruhigem und stabilen Wetter ist der auch problemlos an einer 250er fliegbar.

    Hat man irgendeinen Gleiter, den man am Zwirn fliegen lassen kann, dann bindet man den bei Flaute natürlich an keine 550er T2 - sollte logisch sein ;)


    Auch nicht ganz unwichtig: Materialkontrolle.


    Mir hing auf dem letzten Drachenfest 2x ein Kollege in der 550er T2. Die Schnur habe ich mir zu Hause in einer ruhigen Minute mal komplett durch die Finger gleiten lassen.

    Alles genau auskegeln bringt Dir nämlich nichts, wenn mitten in der Schnur ein unbemerkter Schaden ist ;)

    Also deine Schätzung was die Zugkraft deines Octopusses angeht ist wohl etwas sehr hoch gegriffen.


    Ab und zu haben Freunde von mir meine Drachen gemessen weil wir einfach wissen wollten was sie wirklich ziehen und wir waren fast überrascht was wir für Werte erhielten.


    Ein Beispiel:


    Fanoe, Hexagondrachen mit 4m Durchmesser, 5 Bft... Ich rutschte hinterher bis der Anker mein Furchenziehen beendete (und ich wiege ca 90kg) - gemessene Zugkraft 35kg

    Fanoe, Parafoil mit 12qm, 4Bft - es war schon nicht mehr angenehm zu halten, ich musste mich ziemlich gegen den Drachen legen - Messergebnis 23-25kg Zug


    Ergo: gefühlte Zugkräfte werden nicht selten viel zu hoch geschätzt.


    Und über die tatsächliche Bruchlast einer Leine entscheiden auch noch mehr Faktoren wie zb Dauer der UV Exposition der Leine, wie man sie behandelt hat und wie oft sie zb durch den Sand gezogen wurde.

    Wie sehr ein Knoten deine Bruchlast senkt hängt auch vom Material der Leine ab, bei Polyester ist das deutlich weniger als bei Aramid oder Dyneema.


    Außerdem mögen viele Drachen eine leicht durchhängende Leine als Puffer für Windböen.

    Hallo PMH ,

    ich finde deine Herangehensweise an das Thema interessant und auch bewundernswert.

    Jedoch und jetzt kommt mein persönliches Aber, ich finde es zu stark wissenschaftlich angegangen.

    Natürlich hilft ein, weil wirs können und machen, konkret nicht weiter.

    Der eine oder andere Drachenfreund hat schon mal ne Zugkraftwaage dabei und testet mal für sich die Zugkräfte seines Drachens, daraus kann man ableiten, was evtl. die eigenen ähnlichen Drachen auch ziehen.


    Als Leinen Tipp würde ich dir auch gerne Dyneema ans Herz legen. Die Leinen nutze ich seit vielen Jahren und bin zufriedener als mit Cyclone oder T2. Warum? Weil deren Bruchlast im Vergleich zum Gewicht der Leine höher ist und ich damit größere Bruchlasten fliegen kann und den Drachen damit nicht in die Knie zwinge, wenn mal weniger Wind ist. Als gebeutelter Binnenlandflieger ein durchaus übliches Szenario. Auch kann ich jedem Drachen eine separate Leine geben und somit die Lasten auf den Leinen verringern. Kommt schon mal vor das ich 4 oder 5 Leinen an einem Ankerpunkt inkl. Lifterleine befestigt habe und jeweils einen Drachen damit anknüpfe,


    Oft kommen Tipps von Leinenstärken auch von Drachenfreunden, die beim selben Typ mit anderen/kleineren Bruchlasten schon Probleme hatten. Bei Dyneema bleibt das Problem, der fehlenden Elastizität, das man mit einem dynamischen Ankerpunkt (Schlopp/Tau/ect.) lösen kann, denn sonst wird die Leine bei böigem Wind stark strapaziert. Knoten habe ich jedoch weder am Anfang der Leine noch am Ende, entweder gespleißt oder entsprechend geschlauft. Auch Windspiele werden über entsprechende Karabiner oder Tampen in der Leine befestigt ohne eine Überlappung.


    Nach einigen Jahren Benutzung sortiere ich die Leinen durch und benutze sie entsprechend weniger oder teilweise zum Nähen. Gerissen ist mir tatsächlich in diesem Jahr eine Leine, leider durch eine Verwicklung mit einem anderen Drachen und dem falschen Handling. War aber Dyneema, habe ich kontrolliert, gespleißt und vernäht. Seit dem hält sie wieder top und ist nur durch eine Verdickung erkennbar.


    Die Unterscheidung ob 100 oder 300 kg mache ich tatsächlich nicht. Meine Dyneema Schnüre sind 2mm/410daN, 2,5mm/580daN, 3mm/900daN und 4mm/1300daN. Zum Umsetzen ein Klemmblock, nutze nur Kletterkarabiner, und einen gespleißten Ankertampen mit ca. 2To Bruchlast.


    Ob ich dir hiermit geholfen habe, weiß ich nicht. Es ist jedoch ein Beispiel aus der Praxis, das seit vielen Jahren bei mir so funktioniert, ohne Schaden oder schlimme Gedanken...

    Naja, jetzt mal ein Gegenbeispiel aus der Praxis ;)

    Externer Inhalt www.youtube.com
    Inhalte von externen Seiten werden ohne Ihre Zustimmung nicht automatisch geladen und angezeigt.
    Durch die Aktivierung der externen Inhalte erklären Sie sich damit einverstanden, dass personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu haben wir in unserer Datenschutzerklärung zur Verfügung gestellt.

    Binnenland, schlapper Wind, T2 550DaN, die Leine hängt kaum durch, trotzdem hängt der Drachen im Wind wie ein Schluck Wasser in der Kurve.

    Als Erstflug nehme ich immer konservative Leinen und gerade an den Softkites stört das auch nicht wirklich.


    Hat man einen auf Hocheffizienz getrimmten Gleiter, dann macht eine leichte Schnur Sinn aber bei einem 4 1/2kg Ray spielen 500gr Schnur für eine moderate Flughöhe keine Rolex ;)


    Nehme ich meinen Cody, dann steht der an Polyester deutlich stabiler. Vor allem ist es nämlich der Schnurdurchmesser, der den Durchhang der Leine erzeugt, denn mit zunehmendem Wind und sich dabei schnell mal verdoppelndem Zug geht der Durchhang nicht weg, wie man es bei der "Gewichtstheorie" vermuten müsste. Was nimmt über Windstärke aber mit den gleichen Gesetzen zu wie der Zug vom Drachen? Genau: Der Windwiderstand der Schnur (durch deren Durchmesser). Deshalb geht es hier weniger um das Gewicht und mehr drum, ob man den Durchhang ansehen mag oder ob man die Elastik zur Materialschonung hinterher künstlich durch einen elastischen Strops erzeugen will.

    Kann der Cody aber gegen den Durchhang arbeiten, dann ist eine Böe schon dabei abzunehmen, bevor der Drachen Durchhang und Dehnung raus gezogen hat und den Druck als Kraft auch in Stress vom Material umsetzt. Wohlgemerkt, man sieht es ja auch, wie ein Drachen am Himmel steht. Mit dehnungsarmer Schnur stehen meine Kastendrachen (Cody, Constellation, ...) deutlich unruhiger als an Polyester und sie arbeiten in Böen auch bedeutend mehr in den Spreiz-Stäben.


    Dazu hat Dyneema den mit Abstand geringsten Schmelz-/Zersetzungspunkt aller verwendeter Schnüren und es ist die teuerste Schnur. Das sind 2 "einleiner-relevante" Nachteile, bei denen sich mir nicht erschließt, warum ich mich auf diese Schnüre einlassen soll. Beim Zweileiner überwiegen klar die Vorteile von Dyneema aber bei böigem Wetter weiß man auch, was einem das Kreuz durchrüttelt und dass da nichts dämpft ;) ... sprich am Einleiner will ich das so eigentlich gerade nicht haben.


    Den Gewichtsvorteil "frisst man auf", wenn es Richtung "greifbare Schnüre" geht, denn eine nahe der Bruchlast betriebene Schnur kann man in Dyneema/Kevlar am wenigsten "anfassen", bei Polyester geht es schon eher, genau genommen fliegen wir aber die Leinen alle nicht am Limit. Ich hatte beim letzten Drachenfest wie gesagt auch "Besuch in meiner Leine", auch die T2 könnte ich spleißen, so sie einen Schaden genommen hätte, hat sie aber nicht, teils wegen besonnenem Handling, teils weil es halt keine Dyneema ist (niedrigster Schmelzpunkt von allen und am wenigsten Durchmesserreserve, so sie ansatzweise nach Bruchlast dimensioniert ist und in bannig überdimensioniert halt mit abnehmendem Durchmesser-/Gewichtsvorteil).


    Ich habe mal eine 110DaN Polyester mit Pappkern und etwas Verpackungsfolie drum, so wie geliefert auf eine Waage gelegt. Das Gewicht betrug nur 0,018% der Bruchlast bezogen auf 100m Schnur und Verpackung, letztere fliegt eh nicht mit und oft hat man auch die 100m nicht voll draußen. Den Rest kann man sich denken. Wenn ein Drachen von einer Polyesterschnur zu Boden gezogen wird, kann der Pilot probemlos 3 Nummern dünner nehmen ;)


    Meine Staffelung an Schnüren entspricht quasi einer jeweiligen ungefähren Bruchlastverdopplung entsprechend Lieferprogramm. 110, 250, 550DaN und "etwas dünneres Zeug", was mal irgendwo bei Drachen dabei war.

    Mein Vorgehen ist ganz einfach: Habe ich das Bauchgefühl, dass die eine Schnur knapp sein könnte (und sei es zu unangenehm zu greifen, das kommt eigentlich immer deutlich vor der Bruchlastgrenze), dann spielt das Gewicht der Schnur eine Nummer dicker keine Rolle für den Flug vom Drachen.


    Weiche ich von der Polyester-Linie ab, dann nur in touristischem Gebiet (vorzugsweise an der Küste bei ablandigem Wind, beispielsweise "zu Hause") und dann hole ich mir Sicherheit rein, die sich nicht über eine scheinbare Bruchlastreserve von einem hochgezüchteten Leinenwerkstoff definiert, den die meisten Discounter-Drachenschnüre wie Butter schneiden. Wie gesagt, ans Limit der Bruchlast gehen die meisten von uns eh nicht und wenn es um eine Sicherheitsreserve geht, dann geht es um sich kreuzende Leinen.

    Auf Drachenfesten gehe ich im Zweifel an den Rand oder verzichte ganz auf einen Flug, wenn ich mir Gedanken um die Sicherheit meiner Drachen (und daraus resultierend auch um die Sicherheit vom Umfeld) mache, plane dabei aber mit Polyester.

    An der Küste sind es klassisch die Gedankenlosen, Platz gibt es eigentlich immer reichlich und da greife ich im Zweifel zu Aramid (irgendwo muss ja auch die Erfahrung her kommen, dass meine Kastendrachen an dehnungsarmer, dünner Schnur weniger stabil stehen als an Polyester) ;) ...


    Von Dyneema für Einleiner würde ich sogar regelrecht abraten, außer man braucht für irgendeinen "Rekorddrachen" eine Schnur, wo eine 750er T2 nicht mehr reicht und man aus der Beschaffung keine Promotion machen will. Dann greift man halt zu 3 oder 4mm Dyneema, stellt fest, dass die Schnur per Hand nicht dirigierbar ist und macht 6 oder 8mm draus und kann an der Schnur theoretisch einen LKW anheben ;)


    Würden die Leinen aber irgendwas mit der Notwendigkeit der Bruchlast zu tun haben, würden wir hier mehrfach die Woche von Wohnmobilen und Autos lesen, die an den Nordseestränden (vor allem in Dänemark von irgendwelchen Drachen entweder in die See oder in die Dünen gezogen wurden. Lesen wir aber von sowas? Nein!

    Warum nicht ;) ? Nach einem Jahr mit einem Midi-Ray habe ich nur in Ausnahmefällen mehr als 50kg auf einer in meinem Zubehörbeutel befindlichen "Kranwaage" gesehen und an den interessanten Tagen habe ich die klassischerweise auch in Verwendung, absolutes Maximum waren mal 70kg beim Ray und mein Allzeit-High-Score auf der Waage sind 85kg.

    Natürlich sind bei solchen Bedingungen meine 550er T2 im Einsatz bzw. an Küstentagen ggf. auch mal meine 3000DaN Aramid, platt raus gesagt, hätte es aber auch immer die 250er T2 tun müssen und bezogen auf die geflogenen Drachen und die gemessenen Kräfte sehe ich eigentlich keinen Grund, warum die Zeitgenossen mit den Maxi-Ray o.ä. mit einer 750er T2 nicht auch klar kommen müssten ;)


    Soll jeder fliegen was er mag, der von Christoph berichtete Leinenriss resultierte aber auch aus einer gekreuzten Schnur, mit Polyester hätte er da wahrscheinlich bessere Karten gehabt, in dem Fall spielen nämlich sämtliche technischen Vorteile von Dyneema gegen die Schnur (geringer Durchmesser, geringe Dichte, niedrigster Schmelzpunkt).

    Materialkontrolle nach Kontakten sollte zwar obligatorisch sein, bis dahin muss die Schnur aber erstmal durchhalten.

    Dafür habe ich bei Hilfestellungen für Kollegen schon mehrfach angemackte Schnüre durch die Finger laufen gehabt - Folgeschäden, im Zweifel auch zeitlich deutlich nach dem initialen Schaden an der Schnur dürften in meinen Augen mit Abstand die meisten Leinenrisse auslösen, nicht zu dünn gewählte Schnüre unter der Prämisse, dass die Design-Last mit Reserve reichen sollte.


    VG, Eike

    Danke, das kann ich nur unterschreiben.

    Und hören wir doch mal mit der Verteufelung von Aramid auf, mit Hirn gehandhabt tut sie keinem etwas. und schon garnicht in größeren Durchmessern und leicht durchhängend - wenn bei Schnurkontakten beide besonnen reagieren. Sie bringen gegenüber dickeren Polyesterleinen auch Sicherheitsvorteile - die Enden einer dickeren Aramidschnur fallen beim Leinenbruch wie ein Wollfaden vom Himmel während ein Polyesterseil wie eine Peitsche durch die Luft schnellt und üble Verletzungen verursachen kann.

    Meine Leinen bemesse ich grob gerechnet so, daß sie etwa 10 -15mal so viel Nennbruchlast haben wie die zu erwartenden Zugkräfte. Zum einen weil Overengineering Sicherheit schafft und zum anderen weil sie dann einfach besser zu handhaben sind.

    Ich mags Wissenschaftlich und genau, alles andere ist für mich wie schon gesagt unbefriedigend. Für den Vatti der mit dem Kind 2-3 Wochenenden den kleinen Eddy steigen lässt und mag an dieser Stelle am Ziel vorbeigeschossen sein, völlig klar. Aber so sehr Drachen steigen lassen für mich auch was für die Seele ist, so sehr begeistert mich auch die Technik und Physik dahinter. Ich möchte mich da auch nicht aufs Bauchgefühl von anderen Verlassen, die zwar sagen ich hab für meinen Drachen die und die Leine und nie Probleme gehabt. Das ist zwar schön, aber ich möchte dann auch Wissen auf welcher fundierten Grundlage die Aussage basiert. Wurde mit Messgeräten getestet? Wurde anhand von Formeln berechnet? Ist die Wahl der Leine vielleicht doch zu knapp gewählt und man hatte bisher einfach nur Glück, dass nichts passiert ist?

    So bin ich halt :D


    Zurück zum Thema: Ich habe zur Berechnung von Kräften noch eine Tabelle entdeckt die die Windkraft in Newton bei entsprechender Windstärke auf eine 1qm Fläche im 90° Winkel darstellt. Davon abgeleitet hat ein Drache mit 35qm Fläche bei 3Bft eine Zugkraft von ca 70Kg. Da der Drache idr. selten im 90° Winkel zum Wind steht ist es dann natürlich entsprechend weniger. Geschätzt sind es wahrscheinlich im Schnitt eher irgendwas tzwischen 30° und 45°. Bei der Flächenberechnung muss man natürlich bei den Softkites nicht nur die Fläche die direkt im Wind steht berücksichtigen, sondern auch zum Teil die Fläche der innen liegenden Kammern. Vielleicht mach ich das mal für einen meiner Drachen wenns draußen schneit und stürmt.


    Einfacher ists natürlich eine Kranwaage an den Drachen zu hängen und die Zugkraft unter den jeweiligen Windbedingungen zu dokumentieren. Deswegen hab ich mir sowas jetzt auch mal gekauft. Das hilft dann aber halt nur mir und meinem jeweiligen Drachen und keinem Anderen, ausser er hat den selben Drachen. Ebenfalls hilft die Methode auch nicht eine passende Leine im Vorfeld aus zu wählen.


    Dennoch find ichs interessant da mal einen etwas konkreteren Wert ermitteln zu können, der die ganzen "Bauchgefühl"-Entscheidungen bestätigt oder widerlegt und bei der Wahl der richtigen Strippe etwas mehr Entscheidungssicherheit bietet.


    Zum Thema Material:


    Ich hab an dieser Stelle auch sehr viel nachgelesen und recherchiert und am Ende haben die Vorteile von Polyester-Leinen für Einleiner wie ich sie fliege dazu geführt, dass ich diese auch nutzen möchte. Da hab ich jetzt auch schon so viel Geld in ein Set gesteckt, dass ich jetzt nicht alles wegschmeiße und durch Dyneema ersetzen werde. So viel Spielgeld hab ich dann doch nicht übrig.


    Erneut herzlichen Dank für den Austausch :thumbup:

    Gerade bei Softkites und Zellendrachen ist das kaum vorher zu berechnen, es hat eben einen Grund warum Flugzeughersteller zum Berechnen von Strömungsverhältnissen und Kräften Supercomputer nutzen.


    Ich ziehe da die Handmessmethode vor. Wenn die Schnur in den Händen schmerzt und die Schnur nicht gut zu handhaben ist, ist sie einfach zu dünn. Eine 1mm Schnur unter 10daN Zug ist schon unangenehm in der Handhabung - in Aramit entspricht 1mm Durchmesser in der Regel gut 100daN Bruchlast.

    Die tatsächlichen Bruchlasten auch von Polyesterschnüren erreicht man im realen Flugbetrieb wohl eher nicht wenn man sie handfreundlich dimensioniert hat. Die einzige Ausnahme dürften hier beschädigte Schnüre sein.


    Und Dyneema für Einleiner zu nehmen erscheint mir etwas unpraktisch. Sie ist zu glatt, zu dünn und ihr Schmelzpunkt ist schlicht ein Witz.

    Würden das mehr Leute tun, würden wohl bald die Rufe umgehen Polyesterleinen von Drachenfesten zu verbannen - sie wären ja üble Schnurkiller, denn den kontakt mit einer dünnen Polyesterleine übersteht Dyneema nicht lange.

    Da möchte ich mich auch anschließen.

    Nur die reine Fläche des Drachens zur Berechnung der Zugkräfte heran zu ziehen ist sicher nicht der zielführende Weg.

    Beim Drachenflug kommt immer, auch bei Flachdrachen, zum Teil der Tragflächeneffekt dazu. Das heißt, es entsteht ein Unterdruck auf der Rückseite des Drachens, da die Luft durch das Ausbauschen des Segels hinter dem Drachen einen weiteren Weg hat als davor. Der Zug dürfte also immer etwas höher sein als du mit der gefunden Tabelle ermitten kannst.

    Zudem steht die Fläche ja nicht mit 90° im Wind, wie du schon gesagt hast. Du müsstest also von der projezierten Fläche ausgehen.


    Dann möchte ich noch die Dachen von Willi Koch in den Ring werfen. Diese haben nur etwa 2/3 der Fläche des normalen Drachens, ziehen aber genausoviel, wenn nicht sogar mehr.


    Es ist sicherlich sehr interessant diese Berechnungen anzustellen und birgt eine gewisse Herausvorderung, das kann ich gut nachvollziehen. Aber am Ende wirst du feststellen, das Rechenwert und gemessene Realität nicht zusammen passen.


    Trotzdem möchte ich dich jetzt nicht in Bochshorn jagen. Halte uns auf dem Laufenden, ich finde deine Herangehensweise interessant.

    Gruß Carsten


    P.S. Ich wähle meine Drachenschnüre nach dem Gefühl am Hinterkopf aus, dass der Wind verursacht. Da ich keine großen Drachen fliege ist meine stärkste Schnur eine 80kg Polyesterschnur.

    Bei böigem Wind kommt noch etwas hinzu. Da spielt dann auf einmal nämlich das Material und der Leinendurchmesser wieder eine größere Rolle für die auftretenden Kräfte.


    Eine dickere Polyesterleine die mehr Arbeitsdehnung hat und stärker durchhängt gibt an den Drachenhalter oder Anker nicht die selbe Kraftspitze bei einer Böe weiter wie eine dünnere Schnur mit geringerer Arbeitsdehnung wie etwa eine Aramid oder Dyneemaleine.


    Ein Teil der auf den Drachen übertragenen Energie wird vom Straffen und Dehnen der durchhängenden Leine aufgenommen und garnicht direkt in Zugkraft umgesetzt. Bei einer dünneren Schnur mit geringer Arbeitsdehnung passiert das aber.

    Frei übersetzt und interpretiert: harte Böen führen an Aramid und Dyneemaleinen zu heftigerem Rucken als an Polyesterleinen. Aber mit genauen Formeln kann ich das nicht belegen, das sind nur Erfahrungen und gemessene Werte, also rein empirische Erkenntnisse.

    Moin Dennis,


    das ist ein Punkt, der auch gerne mit "Leistung" verwechselt wird.


    Ich habe bisher nicht die Erfahrung gemacht, dass ich an Polyester einen Leistungsverlust hätte beobachten können, der sich in zu reduzierendem Leinenschmuck bemerkbar gemacht hätte. Der Leinenschmuck wird aber auch nicht von den Kraftspitzen angehoben sondern eher vom Mittelwert bzw. muss auch noch von den Kraftminima getragen werden, denn je nachdem wie lange die Minima anhalten, führen diese dazu, dass der Leinenschmuck dann unten liegt oder eben nicht.


    Belastung vom Bodenanker und auch das händische dirigieren vom Drachen unterscheidet sich zwischen Dyneema/Aramid zu Polyester aber durchaus. Man hat das Rucken in der Hand bzw. am Anker oder eben nicht.

    Platt formuliert: Die "zerstörerische Leistungsfähigkeit" ändert sich (Knackt ne Querspreize im Drachen, rüttelt sich der Bodenanker los, was muss ich buckeln, um den Drachen wieder zu Boden zu bringen, ...), denn da arbeitet man ja definitiv gegen die Kraftspitzen. Das würde ich von der "Nutzlast" (stabil gelifteter Leinenschmuck) nicht behaupten ;)


    Viele Kranwaagen haben nun mal aber eine "max"-Funktion und je nach Schnurtyp stehen da definitiv unterschiedliche Werte. Natürlich sind die max-Werte interessant, Bodenanker und das ganze Spielzeug müssen es ja überleben ;) ... aber für die nutzbare Leistung sind Durchschnittskarft und Minimalkraft am Ende wichtiger und in der Realität schwerer zu beobachten (und auch weniger interessant zu kommunizieren, beim "Maximum" hören immer gleich alle zu :FETE: ).


    Ziel für Nutzlast wäre aber an sich eine möglichst gleichmäßige Kraft, die Kraftspitzen treiben nur den zu erbringenden Aufwand hoch, dass alles hält.

    Ketzerisch gesagt, so wie ich meinen Cody gelegentlich "arbeiten sehe", würde ich dem an einer dicken Polyesterschnur den Flug bei einer Windstärke mehr als an Aramid zutrauen, einfach weil sich die dynamischen Lasten deutlich reduzieren.


    VG, Eike

    So in etwa, nur daß ich keine Wäsche in die Leine hänge. Ich fliege auch größere Codys an einer dann dickeren Aramidschnur die dann eben etwas durch hängt und die Beule in der Böe glatt zieht... ist mir insgesamt einfach sicherer und Sicherheit ist mir wichtig.

    Aber insgesamt hast du Recht, die Materialbelastung an Drachen und Anker ist dann etwas geringer, gerade wenn man es mit einer dünnen Aramid oder Dyneemaleine vergleicht die du zb zu 30% auslastest und die dadurch wie eine Klaviersaite gespannt ist.