„Stuntkiting“ von Paul May -
kein Drachenbuch für mein Bücherregal!
Kennt Ihr dieses Gefühl auch? Man freut sich wie ein kleines Kind, endlich in der Buchhandlung ein unbekanntes Drachenbuch entdeckt zu haben. Schnell wird es aufgeschlagen und man liest zum wiederholten Male, dass Drachen aus Asien kommen und erfährt wie man mit Papier und Holzleisten einen „tollen Drachen“ für den Kindergeburtstag zaubern kann. Enttäuscht und gelangweilt wird das Buch entweder zurück in die Auslage gestellt oder man kauft es trotzdem, wenn der Sammler mal wieder über die Vernunft gesiegt hat. Doch diesmal kam alles ganz anders – ich halte heute ein Buch in Händen, das sicherlich nur sehr selten in meinem Bücherregal stehen wird ...
Wenn Paul May, der langjährige Drachentester und Fachautor, ankündigt ein Drachenbuch zu veröffentlichen, ist naturgemäß die Erwartungshaltung hoch. Was will er denn noch Neues schreiben? Ist denn zum Thema Drachen nicht alles schon gesprochen und geschrieben worden? Sicherlich könnten dieses Fragen zumeist mit „ja“ beantwortet werden. Bisher hat sich jedoch niemand die Mühe gemacht, diese ungeordnete Ansammlung von Wissen und Informationen sinnvoll zu strukturieren und in eine lesbare Form zu bringen. Paul May lädt seine Leser in „die bunte Welt der Drachen“ ein, in der es sowohl für den Einsteiger, als auch für den eingefleischtesten Drachenfan noch viel Wissenswertes zu entdecken gibt.
Das Inhaltsverzeichnis des 232-seitigen Drachenbuchs strahlt in allen Farben des Regenbogens, nicht jedoch um einfach nur bunt zu sein, sondern um dem Leser ein Farbleitsystem durch die 14 Kapitel zu bieten. So beginnt das rote Kapitel mit der systematischen Einteilung der Lenkdrachenmodelle in die unterschiedlichen Kategorien des Drachensports. Dem Piloten wird verdeutlicht, welche Erwartungen er an die einzelnen Drachentypen stellen kann. Beispielhaft zeigt der Autor am Rand der jeweiligen Textpassagen aktuelle Drachenmodelle oder erklärt die verwendeten Fachbegriffe. Könntet Ihr zum Beispiel genau beschreiben, worin der Unterschied zwischen Trickflug und Freestyle besteht? Für Paul May scheint dies eher eine leichtere Übung zu sein. Seine Erklärungen sind auch für den ambitionierten Einsteiger ins Drachenhobby sehr verständlich.
Das folgende Kapitel „Montage und Pflege“ erläutert, wie man mit seinem Drachen umgehen sollte, um lange Freude daran zu haben. Paul May vergisst im Kapitel „Alles im Griff“ auch nicht, auf einen gefährlichen Anfängerfehler – das Fliegen mit Ringspulen – aufmerksam zu machen und bewahrt Unwissenden damit vor schwerwiegenden Verletzungen. Anschließend wendet er sich den grundlegenden Flugmanövern, dem Trickflug und dem Fliegen bei extremen Windverhältnissen zu. Mit „Drachen im Multipack“, einem Kapitel über Drachengespanne, Team- und Pairflug, verlässt der Autor, der einst selbst im Team „Cloud Nine“ erfolgreich flog, die Drachenwiese und nimmt den Leser mit in die heimische Werkstatt zum Drachenbauen.
In den Kapiteln „Drachenbau“, „Leinen“ und „Waagekunde“ erfährt der Leser alles Wissenswerte zur Materialauswahl und über die Beeinflussung der Flugeigenschaften seines Drachenmodells, egal ob Eigenbau oder Kaufdrachen. Beim „Drachentuning“ wird dem erfahrenen Piloten gezeigt, wie er das volle Potenzial seines Lieblingsdrachens ausschöpfen kann. Sollte es bei aller Freude am Lenkdrachenfliegen jedoch einmal zu einer folgenschweren Bruchlandung kommen, steht das Kapitel „Shit Happens“ mit Reparaturanleitungen zur Seite. Am Ende stellt Paul May „nützliches und schönes Equipment“ vor, um mit 31 aktuellen „Kites im Portrait“ sein Drachenbuch abzuschließen.
Nun - fehlt denn noch etwas? Im Vergleich zu anderen Drachenbüchern sind in Paul Mays Buch keine Baupläne zu finden. Weil aber gerade Lenkdrachen-Baupläne nicht allzu lange als aktuell gelten, erscheint es wenig sinnvoll, in einem Buch solche Pläne anzubieten. Zeitschriften oder Internetforen, die ihren Lesern beim Drachenbau auch Hilfestellung geben können, sind hier sicher besser geeignet. Da Paul May mit all diesen Medien umzugehen versteht, ist anzunehmen, dass er sich bewusst gegen Baupläne in seinem Buch entschieden hat. Für alle Trickflug-Einsteiger, die nicht immer die Gelegenheit haben, sich die Tricks zuhause auf ihrer Drachenwiese von einem Profi zeigen zu lassen, hält das Buch als Bonus ein DVD-Video bereit, wo erfahrene Piloten beim Tricksen beobachtet werden können.
Mein Fazit
„Stuntkiting“ von Paul May ist ein umfassendes, verständlich geschriebenes und ansprechend gestaltetes Drachenbuch, welches in seiner Art bisher im deutschsprachigen Buchhandel nicht erhältlich war. Die vielfältigen Facetten des Lenkdrachensports werden genau beleuchtet, während auf kurzlebige Baupläne verzichtet wurde. Sehr angenehm fällt auf, dass der reine Spaßpilot ebenso Beachtung findet, wie der extreme Powerkiter oder der geübte Freestyle-Pilot.
„Das einzige, was wirklich zählt, ist, dass man am Strand, auf dem Schnee oder auf der Wiese den Stress des Alltags hinter sich lassen und perfekt entspannen kann. Wichtig ist, dass man glücklicher nach Hause geht, als man hingegangen ist.“
Paul Mays Drachenbuch wird bei mir in den kommenden Monaten kaum im Bücherregal zwischen den vielen anderen Drachenbüchern stehen, die sich dort über die Jahre angesammelt haben. Es bekommt als aktuelles Standardwerk des Drachenhobbys einen Ehrenplatz, damit es immer in greifbarer Nähe steht. Mit Paul Mays bunter Drachenwelt werden viele graue Wintertage etwas freundlicher und farbenfroher erscheinen. Vielleicht entstehen daraus ja neue Ideen, für die kommende Drachensaison?
Weitere Infos unter http://www.stuntkiting.de
Edit: Verknüpfung zum Bild & amazon geändert
- Editiert von Silver am 30.12.2010, 15:49 -
- Editiert von Silver am 30.12.2010, 15:55 -